Im Wörterwald lebte einst ein Fuchs. Dieser hatte viele Fragen, aber keine einzige Antwort darauf. Beständig lief er im Dickicht umher, kreuzte ab und zu die Wege der Menschen und verschwand dann wieder im hohen Gras der Lichtungen. Bei seinen Streifzügen durch den Wald drehte er jeden Stein um, über den er im Laufen stolperte oder der ihm besonders ins Auge fiel.

Eines Tages, als er wieder einmal unter einen Stein schaute, hatte sich unweit von ihm entfernt eine Eule in einer Baumkrone versteckt. Sie beobachtete den Fuchs eine Weile bei seinem Tun und redete ihn schließlich an.

„Warum drehst du so emsig alle Steine um? Was erhoffst du dir, darunter zu finden?“

„Das will ich dir gern erklären“, sagte der Fuchs und lief zu dem Baum, auf dem die Eule saß. „Ich suche die Antworten auf all meine Fragen. Jemand riet mir, ich solle dazu jeden Stein umdrehen.“

Da lachte die Eule laut auf und flog auf einen Ast, um dem Fuchs näher zu sein.

„Warum lachst du?“, wollte der Fuchs wissen.

„Das will ich dir gern erklären“, antwortete die Eule. „Ich lache über deine Einfalt. Jeden Stein umdrehen ist eine Redensart. Das bedeutet, dass du das nicht wörtlich nehmen, sondern in einem übertragenen Sinn verstehen sollst.“

„Aha“, machte der Fuchs und kratzte sich mit seiner rechten Vorderpfote am Kopf. Er verstand nicht so recht, was die Eule ihm mitteilen wollte. Und er hatte auch keine Zeit, länger darüber nachzudenken, denn er war ja auf der Suche nach den Antworten auf seine vielen Fragen. Er wollte gerade weiterlaufen, da hielt ihn der nachtaktive Vogel auf.

Bedächtig hob die Eule ihren linken Flügel, räusperte sich und sprach: „Auf der Suche nach den Antworten auf deine Fragen solltest du deine Nase lieber in gute Bücher stecken, statt sie unter die Steine zu schieben. Denn nur in guten Büchern findest du das, was du wissen musst, um am Ende daraus die richtigen Schlüsse für dein Leben zu ziehen.“

Jetzt war der Fuchs an der Reihe zu lachen. Da lief er nun schon so lange umher und konnte kaum glauben, dass seine Suche so einfach beendet sein sollte. „Und das Lesen von Büchern liefert mir auch ganz gewiss die richtigen Antworten?“, hakte er deswegen noch einmal nach.

„Ja“, antwortete die Eule geduldig. „Bücher enthalten jahrhundertealtes Wissen und erzählen alte und neue Geschichten über Menschen und Tiere, ihre Gedanken und Gefühle, ihre Träume und Sehnsüchte, ihre Ängste und Sorgen. Aber sie machen einem auch Mut und Hoffnung, dass auch dann nicht alles verloren ist, wenn man verzweifelt ist.“

Die Worte der Eule ließen den Fuchs aufhorchen. Er überlegte kurz und sagte: „Gut, wenn das so ist, dann will ich es auch einmal mit dem Lesen versuchen.“

Am nächsten Tag trafen sich die Eule und der Fuchs wieder an dem Baum. Die Eule hatte ein paar Bücher mitgebracht, in denen der Fuchs sofort zu blättern begann. Schnell hatte er etwas gefunden, das sein Interesse weckte, und vertiefte sich in die Lektüre.

Die Eule flog wieder auf den Ast des Baumes und sah dem Fuchs von dort aus beim Lesen zu. Sie wusste, dass der Fuchs schon bald die ersten Antworten auf seine Fragen finden würde. Schließlich würde er mit jedem Buch, das er las, ein bisschen schlauer werden. Nur so weise wie sie würde er wohl niemals sein, denn dazu reichte seine Lebenszeit nicht mehr aus. Aber diesen Gedanken behielt sie lieber für sich.

Durchgeblättert!

Wie der Fuchs zum Lesen kam

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